en-Reifenhandel: Eine Branche im Sturzflug

30/03/2017
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Wer sich nicht verändert, wer sich nur ausruht und den Wachstum des Marktes genießt, braucht sich nicht zu wundern, wenn die Zeit für ihn als Unternehmer irgendwann vorbei ist. Ein Beispiel dafür ist die Entwicklung des Reifenhandels.
Posted on September 8, 2016 by HMC_Admin

Während das Pkw-Reifenpotential 1980 noch 17 Millionen Stück betrug, erreichte es 2015 knapp 50 Millionen. Ein Anstieg um 185%! Die Reifenhändler sonnten sich in dieser Zeit im Mengen- und Umsatzwachstum; die sehr positive Entwicklung der Breitreifen mit guten Margen tat ein Übriges. Warum etwas ändern, sagten sich die meisten Händler. Viele von diesen Unternehmen sind mittlerweile in die Häfen der Reifenhersteller, in deren eigenen Ketten, geschlüpft.

Hatte der Reifenfachhandel vor ca. 50 Jahren noch einen Anteil von über 90% am Absatz an den Endverbraucher, ist er heute auf etwa einem Drittel geschrumpft. Dagegen stieg die Bedeutung des Autohauses und der Kfz-Werkstätten als Einkaufsstätte von 7% auf nunmehr über 45%. Diese Entwicklung dürfte sich noch weiter fortsetzen im Hinblick auf das steigende Flottengeschäft, welches durch das Leasing dem Autohaus verstärkt zu Gute kommt.

Während früher das Autohaus noch ein Preisabstand zum Reifenhandel von 20% aufwies, liegt er heute auf einem gemeinsamen Niveau und teilweise bereits darunter, um über diesem Angebot Autofahrer verstärkt für Autoserviceleistungen zu gewinnen. Generell machen die Online-Einkaufsportale es den Verkaufsstellen leicht attraktive Einkaufspreise zu erhalten.

Flotten ein wesentlicher Treiber der Nachfrage vernachlässigt.

Anzumerken ist, dass es die Reifenhersteller bis heute nicht geschafft haben, fundiert den Gesamtmarkt des Reifenersatzbedarfs und seiner Vertriebsstruktur zu ermitteln. Ausschließlich fokussierte man sich auf die Sicht der Privatverwender, nicht jedoch auf die der Flotten, welche in einem nicht unerheblichen Umfang an der Reifennachfrage beteiligt sind. Es ist deshalb anzunehmen, dass sowohl das Reifenersatzpotential als auch die verlautbarten Anteile der Einkaufsstätten und insbesondere der für die Autohäuser nicht den Realitäten entsprechen.

Mit Innovation gegen Stagnation.

Unter dieser Überschrift nannte der damalige Vertriebsvorstand von Pirelli, Lutz Radtke im Jahr 1982 aus seiner Sicht folgende Problemkreise:

  1. Die Sicherung des Bedarfs an qualifiziertem Personal und attraktiver Nachwuchsentwicklung.
  2. Die Durchsetzung von auskömmlichen Preisen.
  3. Das ungenügende Angebot an Verkaufsfläche, das die Demonstration eines attraktiven Leistungsangebotes nicht gestattet.
  4. Die ungenügenden Organisationssysteme - mit entsprechend negativen Einfluss auf Rohertragsplanung und Kontrolle.
  5. Den großen Bedarf an Veränderungen (Innovationen).

Diese Gestaltungsfaktoren sind auch heute noch gültig. Ob durch den Reifenhändlerverband oder ob durch die Reifenindustrie, die vielfältigen Angebote von Beratungsleistungen, sei es für Standortuntersuchungen, Betriebsstrukturen, Marketingleistungen, etc. wurden von den Reifenhändlern kaum in Anspruch genommen. Die Versäumnisse, das Handelsgeschäft permanent an den aktuellen Markterfordernissen anzupassen, rächten sich massiv durch das Aufkommen des Onlinehandels.

Es ist fünf vor Zwölf.

Die Nachfrage nach Reifen wird sich zunehmend abschwächen. Das hohe Qualitätsniveau der Reifen sowie den Trend zu Ganzjahresreifen verdüstern die Aussichten nicht unerheblich. Wie die Neue Reifenzeitung aktuell schreibt, verzeichnet der aktuelle Betriebsvergleich des BRV eine weitere negative Entwicklung. Während die Autohäuser/Kfz-Werkstätten das Reifengeschäft bereits seit längerer Zeit professionell ausgebaut haben, hinkt der Reifenfachhandel mit dem Angebot an Autoserviceleistungen noch weit hinterher. Die Preistransparenz durch die Onlineportale haben es den Wettbewerbern der Reifenspezialisten, insbesondere den Autohäusers und Kfz-Werkstätten, leicht gemacht ihnen in dieser Hinsicht gleich zu ziehen.

Was ist zu tun? Wie bereits in meinem vorjährigen Beitrag "Reifen-FACH-Handel ein Auslaufmodell - ja, aber" ausgeführt, ist eine eindeutige Positionierung des Reifenfachhandels unerlässlich, um überleben zu können. Neben einem Mindestangebot an Autoserviceleistungen sollte der Unternehmer sich als Spezialist für Räder und Reifen präsentieren. Positive Beispiele, also Leuchttürme, wie mit hohem technischen Knowhow und qualitativer Kundenorientierung, sind im Markt vorhanden. Verändern ist das Gebot der Stunde, so bestehen großartige Chancen im Markt bestehen zu bleiben.